P. Monelli: Ich und die Deutschen

Titel
Ich und die Deutschen. Übersetzt und eingeleitet von Willi Hirdt


Autor(en)
Monelli, Paolo
Erschienen
Bonn 2009: Romanistischer Verlag Jacob Hillen
Anzahl Seiten
182 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Peter Mario Kreuter, Redaktion "Südost-Forschungen", Südost-Institut

Paolo Monelli (1891–1984), italienischer Journalist und Schriftsteller, lebte in den 1920er Jahren für fünf Jahre in Deutschland und verfasste über seinen Aufenthalt und seine Reisen in jenem Land eine Reihe von Artikeln für «La Stampa» und «Il Corriere della Sera». Auf der Grundlage dieser Texte schrieb Monelli ein Tagebuch, das er 1926 unter dem Titel «Io e i Tedeschi» veröffentlichte. Willi Hirdt, Bonner Emeritus für romanische Philologie, hat dieses Werk nun übersetzt.

Monelli spielt im Titel mit dem Fremdsein und der Aussenperspektive des Fremden auf Deutschland und die Deutschen. Zugleich aber war er bestens bekannt mit dem politischen wie intellektuellen Leben der Weimarer Republik und auch mit der Kultur des Landes, das er immer wieder bereiste. Und so berichtet er nicht nur über Bonn und seine Sehenswürdigkeiten, darunter auch vom Brückenmännchen (S. 165f.), oder von den Berühmtheiten der Stadt Hannover, zu denen für ihn neben Leibniz auch der Serienmörder Fritz Haarmann gehört (S. 115f.), sondern nimmt auch Stellung zum Flaggenstreit in der Weimarer Republik («Fehde der Farben: Schwarz-weiß-rot, schwarz-rot-gold», S. 80) und porträtiert recht unkonventionell den «Wiener Ekstatiker» (S. 38) Adolf Hitler: «Der einstige Wiener Tapezierer und Anstreicher hat das Gesicht seines Berufes, und unter seiner aufgerichteten Hahnenkammnase [...] erheben sich wachdienstlich zwei Bürstchen an einem Fischmaul, österreichisch eingeölt» (S. 41). Dem Lob der Berliner Mädchen und des Lebens in Berlin (S. 59–72) folgt eine Betrachtung des § 175 des Strafgesetzbuches und der damit verbundenen Lage der Homosexuellen in Deutschland (S. 73–79).

An sich liberal und dem Regime in seinem Heimatland gegenüber unfreundlich eingestellt, zeigen sich doch auch konservative Züge, wenn Monelli den Ordnungssinn und die Polizei in Deutschland lobt, beim Besuch der Provinz aufatmet oder mit Transvestiten nichts anzufangen weiss. Stets aber bleibt sein scharfer Verstand eingeschaltet – wer beim versuchten Putsch in München Herr und wer nur Knecht war, ist eine Frage, die sich ihm nicht stellt.

Paolo Monelli erlaubt dem Leser einen höchst subjektiven, aber tiefgründigen Blick hinter die Kulissen der «Golden Twenties», und bei aller vorgeschobenen Distanz des Fremden besitzt er einen Innenblick, der ihn zu scharfen und ob ihrer immanenten Prophetie auch für den Historiker interessanten Kommentaren zur Entwicklung der Weimarer Republik befähigt. Daneben ist die Lektüre des Buches dank der einfühlenden Übersetzung Willi Hirdts ein grosser Genuss.

Zitierweise:
Peter Mario Kreuter: Rezension zu: Paolo Monelli: Ich und die Deutschen. Übersetzt und eingeleitet von Willi Hirdt. Bonn, Romanistischer Verlag Jakob Hillen, 2009. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 60 Nr. 4, 2010, S. 505.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 60 Nr. 4, 2010, S. 505.

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